Vita

Am 10.10.42 in Dresden geboren, trotzdem Österreicherin.
5 Jahre Graz, ausgewiesen-Flüchtling.
10 Jahre Kiel, 10 Jahre München.
Hier studiert an der Akademie der Bildenden Künstebei Prof. Oberberger und in der Glaswerkstätte bei Prof. Bromberger – Diplom.
Heirat, Wegzug von München. Teilumzug nach Augsburg.
BBK Eintritt. Atelier in Göggingen.
Mitglied im Kunstverein Bobingen, Schwabmünchen, Autorengalerie 1 München und in der Ecke Galerie Augsburg.

Amelie Kratzer : Assemblagen und Glasobjekte
Wie abstrakte Gemälde wirken manche Glasarbeiten von Amelie Kratzer, denen erst
das Licht die beabsichtigte Farbintensität verleiht. Bei den als Leuchtkästen gearbei-
teten Werken ist das Licht den festen Bestandteilen gleichberechtigt. Die in den durch-
sichtigen Glaskörper eingearbeiteten Farbschlieren ähneln breiten Pinselstrichen, der
eingeschmolzene Hasendraht gibt der Darstellung ein grafisches Element. Zwischen
Materialität und Transparenz verleiht der Doppelcharakter des Beleuchteten Glases der
Gestaltung die Distanz des Besonderen.

Im Sammeln von Weggeworfenem, um damit zu gestalten, konzentriert sich die Auf-
merksamkeit auf Formzusammenhänge und Material. Diese Umwertung von Un-
brauchbaren zum Notwendigen bestimmt die Kunst von Amelie Kratzer schon früh.
Bereits während ihres Studiums an der Münchner Akademie fertigte sie aus den übrig-
gebliebenden Resten in der Glaswerkstatt Kittbilder. Die Massen, in die die Glasteil-
chen eingebettet sind, tragen dabei ebenso zum Ausdruck des Ganzen bei wie das
Glas. Hier zeigt sich das Interesse am Materiellen und an der Realität, das eine der
Grundlagen des bildnerischen Denkens der Künstlerin ist. Wenn man so will, waren
diese Mosaike ihre ersten Assemblagen. Glas ist für Amelie Kratzer „ein zartes und
doch wehrhaftes Material“. Nicht die Gefährlichkeit von zerbrochenem Glas ist ge-
meint, sondern die beim Machen gewonnene Erfahrung der Widersprüchlichkeit der
Wirkung dieses Stoffes.

Das Spielerische, wie es Amelie Kratzer nennt, des Aneinanderfügens von Glas-
stücken wiederholt sich in ihren Assemblagen mit anderen Materialien. Sie scheinen
in selbstverständlicher Leichtigkeit entstanden zu sein, wie es Friedrich Schillers Fest-
stellung aus der Ästhetischen Erzeihung will, worin der Mensch“nur da ganz Mensch
(ist), wo er spielt“

Ausgangspunkt für eine Assemblage sind oft nicht die verwendeten Dinge, sondern
deren verwandelte Gestalt. Die Gebrauchsfähigkeit einer plattgedrückten Getränke-
dose ist von der silbern schimmerndenOberfläche abhängig, in die sie übergegangen
ist. OB sie in Ägypten in orientalischer Atmosphäre gefunden wurde, ist nicht von Be-
deutung. Es geht allein um das sinnlich erfahrbar Gewordene, das vom Zusammen-
hang Losgelöste. Als Ergebnis von Suchen und Finden bilden dann eine Obsttüte, eine
Bandage mit Zitronenabbildung, mehrfarbiges Silberpapier oder ein Kaktus, ein Seil
und eine Muschel oder Silberpapier auf dem farbigen Abdruck einer Sohle die Grund-
lage einer ästhetischen Idee. Inhalt mag der Betrachter hinzufügen. Bisweilen wird
Ernst aus dem Spiel, wenn etwa ein Puppenbein mit zwei Metallstreifen an der Unter-
lage befestigt ist und auf eine leidvolle Kindheit verweist. Auch bei den Sohlen von
Flip-Flops ist die Vergangenheit des Gegenstands dabei. Schuhe stehen für Gehen und
Leben. Hier treten die Materialeigenschaften zugunsten der dominierenden Aussage
der ehemaligen Verwendung zurück. Das Objekt entzieht sich der völligen ästhetischen
Vereinahmung und läßt den künstlerischen Gedanken deutlich werden.

Annemarie Zeiller


Dr. Annemarie Zeiller
Autorin von „Guernica und das Publikum. Picassos Bild im Widerstreit der Meinungen“,
Kunstjournalistin, Kuratorin